Die Anfänge

Am 1.9.1995 habe ich meine Praxistätigkeit begonnen. Damals begann ich mit einer Kollegin mir einen Behandlungsraum zu teilen und wir verabredeten uns am ersten September das Telefon und den Anrufbeantworter zu installieren. Der Schreibtisch war noch nicht geliefert, so sassen wir in zwei IKEA Korbstühlen Tee trinkend und zelebrierten den Moment unseres Beginns.

Nach 25 Jahren Tätigkeit als Heilpraktikerin erinnere ich mich gern an dieses kleine Samenkorn, das wir damals sähten und auf dessen Keimling wir sehnsüchtig warteten. Im Jahr 1995 bedeutete eine kleine feine Privatpraxis vor allem eines: Öffentlichkeitsarbeit. Das Internet in seiner heutigen Form existierte nicht und Patienten kamen zu uns, weil sie uns irgendwo auf einem Vortrag oder Kurs kennengelernt hatten, eine Empfehlung erhalten hatten oder irgendwo einen Flyer von uns aufgegriffen hatte. Dies hat sich wahrlich verändert, kommen doch heute die meisten meiner Patienten über Internetrecherche oder auch wie damals über persönliche Empfehlung.
Ich kann mich noch an eine Situation während meiner dreijährigen Heilpraktikerausbildung erinnern, als ich auf einer Familienfeier von der Frau eines Cousins über meine Ausbildung gefragt wurde. Dies war 1993 in Chemnitz und als ich nach der Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit nach der Ausbildung befragt wurde, so sagte ich wahrheitsgemäß, dass man sich eigentlich nur selbst niederlassen könne. Beim Abschied blickte mir jene angeheiratete Frau tief in die Augen und wünschte mir viel Glück für meine “Träumereien”. Das könne doch nicht ernst gemeint sein, dass man als Heilpraktikerin in eigener Praxis jemals arbeiten wird.
Schon damals wusste ich tief in meinem Herzen, das es keine Träumerei für mich sein wird. Die 420,00 DM Schulgeld jeden Monat, plus der Lebensunterhalt neben den fünf Stunden Präsenzunterricht täglich in der Heilpraktikerschule, waren nicht so einfach zu verdient jeden Monat. Teilweise habe 25 h die Woche neben der Ausbildung gearbeitet. Zum Glück war ich sehr jung damals, hochmotiviert und konnte den stressigen Anforderungen des Lebens noch kraftvoller begegnen.

Was sich verändert hat in der Zeit?
Vor allem die Menschen. “Früher” suchten die Patienten eine langfristige Begleitung und wenn das Vertrauensverhältnis stimmte, so waren es lange Zeiträume (teilweise bis heute) in denen ich die Patienten immer wieder mal sah. Heute suchen mich die meisten Menschen wegen einer bestimmten Beschwerde oder einem bestimmten Behandlungsziel auf. Wenn das erreicht ist verabschieden wir uns meist schon. Das ist in völlig in Ordnung und unser schnelllebiger Zeitgeist passt gut dazu. Es freut mich immer wieder, wenn dennoch einige Menschen länger bleiben und über Jahre auch in tiefere Strukturen vordringen wollen, die zur Erkrankung geführt haben.

Ob ich es mal bereut habe, Heilpraktikerin zu sein?
Eine ehrliche Antwort müsste hier sein: Jein. Die meisten Jahre und die meiste Zeit erlebe ich meinen Beruf als wunderbar. Ich finde es toll mich selbst immer wieder weiterzuentwickeln, neue Methoden kennenzulernen, neues Wissen und Einblicke zu erlangen. Dennoch ist eine Selbständigkeit als Freiberuflerin nicht immer einfach. Da gab es schon Momente des Haderns und den Wunsch nach mehr Sicherheit. Natürlich gibt es Tage, wo man keine Lust hat in die Praxis zu gehen und lieber was anderes machen würde. Da braucht es Selbstdisziplin und eigenen Antrieb selbst motiviert zu bleiben. Wenn meine Patienten mir respektvoll und wertschätzend begegnen, ist das nicht schwer und mein Leben insgesamt in Balance ist. Wenn die Work-Life-Balance als Selbständige nicht stimmt, wird es schnell anstrengend…
Mein Weg zu diesem Beruf beschreibe ich immer gern als Berufung. Ich hatte im Jahr 1991 einen visionären Traum, der mich dann im Februar 1992 an die Heilpraktikerschule führte. Es war klar, dass es mein Weg sein soll als Heilpraktikerin zu arbeiten. Wann immer ich haderte, habe ich mal einen Blick in die Weiten des Himmels geworfen und einfach nur gesagt: wenn es das hier nicht mehr sein soll, dann gebt mir ein Zeichen, wo es hingehen soll. Bisher kam noch kein Zeichen, so dass ich weiterhin als Heilpraktikerin arbeite und das sehr gerne.

Was das besondere daran ist?
Das Schöne an meiner Arbeit ist, die Menschen in ihren individuellen Lebenskrisen einfach abzuholen. So oft sind diese Krisen einfach eine Einladung zur Transformation des Lebens und der fehlende Mut dieser Einladung zu folgen. Es ist sehr intim, berührend, erfüllend Menschen in ihrem persönlichen Wachstumsproszess zu erleben und zu begleiten. Es erfüllt mich immer wieder mit großer Bescheidenheit und Dankbarkeit, daran Anteil nehmen zu dürfen. Wenn sich eine tiefe Heilung einstellt, dann ist das einfach superschön. Und ich fühle mich sehr geehrt Geburtshelferin sein zu dürfen.

Was schwer ist?
Sehr betrüben mich die unhaltbaren Anfeindungen der alternativen Medizin in den letzten Jahren in den Medien. Es überrascht mich immer wieder, das trotz positiver Studienlage gerade die Homöopathie immer wieder angefeindet wird. Manchmal kommt mir das wie eine Gehirnwäsche vor und ich ertappe mich schon, das ich mich in neuen Kontakten ungern als Homöopathin vorstelle. Wer möchte den gleich als Spinnerin abgestempelt werden, wenn sie seit 25 Jahren hochqualifizierte Arbeit macht?

Wie geht es weiter?
Auf jeden Fall geht es weiter. Sollten Heilpraktiker*innen als Berufsstand weiter bestehen (vor 25 Jahren ein unvorstellbarer Gedanke, dass diese Zunft vielleicht einmal abgeschafft wird), so werde ich sicher noch mehr als 15 Jahre weiterarbeiten. Die aktuelle Situation der Corona-Pandemie hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, seine Lebenskraft weiter in Harmonie zu halten und zu stärken. Auch wenn man Gefahr läuft mit einem medizinisch weiteren Horizont auch gleich “Verschwörungstheoretiker” zu sein, einfach weil man eine andere Meinung hat, als sie uns in den Nachrichten einsuggeriert wird; so sehe ich gerade die alternative Medizin weiterhin als die Medizin der Zukunft. Als ich 1990 das erste Mal selbst einen Homöopathen aufsuchte, so wurde mir damals das Buch von Georg Vithoulkas (griechischer neuzeitlicher Homöopath, Träger des Right Livelihood Award 1996) empfohlen mit dem wunderbaren Titel: Medizin der Zukunft. Seitdem hat es viele Entwicklungen und Strömungen in der Homöopathie und der holistischen Medizin gegeben. Aber das Interesse in der allgemeinen Bevölkerung hat weiterhin zugenommen. Waren es früher eher die “Ökos”, die sich zu einem Heilpraktiker wagten, so kommen heute viele meiner Patienten zu mir und waren in der Vergangenheit schon einmal bei einer Kolleg*in. Man ist heute kein Exot mehr, wenn man auch alternativ für sich sorgt.

Für all´die schönen Momente und Zeiten mit meinen Patient*innen in 25 Jahren Tätigkeit sage ich aus dem Grunde meines Herzen einfach:

Danke!

Auch meinen vielzähligen Lehrer*innen auf meinem Weg möchte ich hier herzlich danken.

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